Erster Sessionsbericht

Gelungener Auftakt mit vielen Lernfeldern, Irritationen und kulturellem Höhepunkt

 

Am 6. und 7. Juni absolvierte ich meine ersten beiden Sessionstage im Kantonsrat. Wesentliches ist da nicht passiert; man lernt als Neuer in erster Linie, wie der Ratsbetrieb in der Pfalz funktioniert. Als Exekutivpolitiker im Stadtrat und und im Schulrat muss ich mich vor allem an den politischen Hickhack zwischen den Fraktionen gewöhnen. Da ist aber etwas dazukommen, das wohl für alle Kantonsräte neu ist: Erstmalig stellen SVP und FDP im Kantonsrat die absolute Mehrheit. Eine erste Machtdemonstration erfolgte mit dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege. Es hätte die Schlussabstimmung angestanden. Das Parlament in der alten Zusammensetzung hatte diese Vorlage fertig beraten und die vorberatende Kommission sowie Regierungsrat Fässler setzten sich vergeblich für die Vorlage ein. "Rückweisung" lautete das Verdikt.

 

Zweites wichtiges Geschäft war die Genehmigung des sensationellen Rechnungsabschlusses des Kantons mit einem Überschuss von mehr als 150 Mio. Franken. Der neue Finanzminister, Beni Würth von der CVP, forderte uns Parlamentarier auf, bei den demnächst anstehenden Finanzdebatten Augenmass zu halten, wenn das Parlament Ausgabenreduktionen beschliesse, weil ja hinter diesen Ausgaben Leistungen des Staates stünden. Ich teile die Auffassung, denn die nächsten Sparrunden werden anstehen, weil ja mein Stadtratskollege in Bern fast zeitgleich an der Unternehmenssteuerreform III mitdebattiert, die dann in den Kantonen enorme Finanzausfälle zur Folge haben wird. Stutzig machte mich ein Votum aus SVP-FDP-Kreisen, wo die Regierung aufgefordert wurde, Hand zu bieten für merkliche Reduktionen der Staatsausgaben, zumal wir ja aus dem nationalen Finanzausgleich mehrere Hundert Millionen Franken beziehen würden. Wir seien das den "Spendern" aus den reichen Kantonen schuldig. Das muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen. Da schwant mir auch böses zum kantonalen Finanzausgleich. Diese Debatten stehen im September an. St. Gallen ist fast der einzige Kanton, der es zulässt, dass Steuerzahler einer reichen Gemeinde nur halb soviel Steuern bezahlen wie in einer Zentrumsgemeinde mit hohen zentralörtlichen Kosten. Fehlt nur noch, dass diese Zentrumsgemeinden dann ihren "Spendern" auch noch Danke sagen dürfen...

 

Beeindruckt hat mich der neue Parlamentspräsident. In seiner Antrittsrede interpretierte er das St. Galler Kantoswappen. Die Balken im Wappen symolisieren die Regionen im Ringkanton, die eigentlich über keine gesame Geschichte vor der Kantonsgründung verfügten. Diese Balken würden heute für die Verschiedenheit der Regionen stehen und Verschiedenheit als Stärke wahrgenommen. Die Balken werden von einem Ring zusammengehalten. Dieser Ring gebe dem Kanton Kraft. Kraft durch Zusammenhalt. Wunderbar. Ich hoffe, die Mehrheitsfraktionen haben da gut zugehört. Der Zusammenhalt der Gemeinden und der Regionen im Kanton hängt für mich auch damit zusammen, dass diese steuerpolitisch nicht allzuweit auseinanderdriften. Leider gehört der Parlamentspräsident nicht den beiden Mehrheitsfraktionen an.

Im Parlament sind immer alle irritiert und setzen das dann in Szene: Der Fraktionspräsident der SVP war irritiert wegen des sehr schlechtem Wahlergebnisses seines Vertreters fürs Vizepräsidium des Kantonsrates, es musste gar ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Regierungsrat Kölliker war's wegen Gutheissung eines parlamentarischen Vorstosses zu den Organisationsmodellen der Fachhochschulen. Er muss jetzt wirklich schon lange anstehende Hausaufgaben erledigen. Regierungsrat Fässler war's wegen der Rückweisung des Verwaltungsrechtspflegegesetzes. Die SP-Fraktion war's wegen des Umgangs mit dem Wahlvorschlag der Regierung mit Marianne Mettler als Verwaltungsratspräsidentin der Spitalverbunde. Ich hoffe nur, dass das alles nicht in Zusammenhang steht mit der Live-Übertragung der Debatten im Internet. Vorsorglich ermahnte Felix Bischofberger, als ehemaliger Kantonsratspräsident, bei der Sessionseröffnung die Mitglieder des Parlaments zu mehr Respekt und Anstand. Das politische Klima sei sehr viel rauher geworden.

 

Versöhnlich und höchst interessant war die Kantonsratspräsidentenfeier in Gommiswald. Ich habe da viele Menschen aus allen Fraktionen persönlich kennen gelernt und selbstverständlich zahlreiche bekannte Gesichter wieder getroffen. Diese Feier hatte auch einen kulturellen Höhepunkt. Eine Oberstufenschulklasse führte ein satirisches Stück auf zu aktuellen politischen Themen rund um die Politik ennet dem Ricken. Die Schülerinnen und Schüler spielten hervorragend und improvisierten gekonnt. Offenbar hatten zwei Oberstufenlehrpersonen das Stück selber geschrieben. Diese wahre Meisterleistung sorgte für herzliche Lacher und lang anhaltenden Applaus. Punkt 22 Uhr war dann Schluss und der Tross bewegte sich wieder mit dem Zug zurück nach St. Gallen.

 

Rorschach, 8. Juni 2016, Guido Etterlin

Kommentar schreiben

Kommentare: 0