Judith Schönenberger vom Tagblatt hat mit mir am 21. Juni ein Gespräch über die Regierungsratswahlen geführt:

 

Nach 17 Jahren als Schulratspräsident in Rorschach wollen Sie St.Galler Regierungsrat werden. Ist Ihnen Rorschach «verleidet»?

 Guido Etterlin: Nein, aber es ist eine einmalige Chance, die sich hier bietet. Ich habe das mit meiner Frau und meinem Umfeld besprochen, es wäre eine spannende neue Herausforderung.

Was qualifiziert Sie für das Amt?

Ich habe langjährige Erfahrung in verschiedensten Bereichen im kommunalen und kantonalen Kontext. Ich habe politische Erfahrung, Führungserfahrung und Dossierkenntnis.

Wäre das Bildungsdepartement Ihr Wunschdepartement?

Ich bin Betriebsökonom und Rechtsagent und von meinem Profil her ein ausgeprägter Generalist. Zehn Jahre lang war ich Gemeinderatsschreiber in Goldach, danach war ich fünf Jahre lang in der Ostschweiz unterwegs, um Gemeinden zu beraten. Ich bin also sehr breit aufgestellt. Aber, wenn ich das Bildungsdepartement übernehmen könnte, würde das sicher passen. Meine Herzensangelegenheit ist die kantonale Bildungspolitik.

Wie würden Sie den Kanton St.Gallen als Regierungsrat prägen wollen?

Der Kanton St.Gallen ist, gemessen an der Einwohnerzahl, der fünftgrösste in der Schweiz. Wenn ich mich im Kanton bewege, nehme ich das aber nicht wahr. Wir müssen das Selbstbewusstsein für unseren Kantons stärken. Da liegt eine grosse Ressource brach. Wir sollten uns als grosser, starker und dynamischer Kanton mit den Big Four Zürich, Bern, Waadt und Aargau messen. Wir orientieren uns zu stark an den umliegenden, kleinen Kantonen. Etwa bei finanzpolitischen Themen. Trotzdem sollten wir uns mit den Nachbarkantonen arrangieren, sogar noch besser als bisher. Leider ist das gerade im Fall des Spitaldossiers nicht gelungen. Es zeigt exemplarisch die Pattsituation.

Wie lässt sich das Selbstbewusstsein des Kantons konkret stärken?

Die kantonale Strategie sieht vor, die Ressourcenkraft des Kantons zu stärken. Denn wir haben das Problem, dass wir trotz unserer Bildungsinstitutionen auf allen Stufen unter akutem Braindrain leiden. Es gelingt uns trotz HSG, trotz OST, trotz PH nicht, unsere eigenen Leute ausreichend in diese Institutionen zu bringen oder die Auswärtigen hier zu halten. Die Uni St.Gallen definiert sich weiterhin als Wirtschaftsuniversität, obwohl sie viel breiter aufgestellt ist. Das Angebot müsste aber tatsächlich noch breiter werden, damit die Studierenden in St.Gallen bleiben.

Wie würden Sie sich in der Kantonsregierung für die Region Rorschach einsetzen?

Ich habe in den vergangenen drei, vier Jahren sehr pointierte Städtepolitik im Kantonsparlament betrieben. Wir haben innerhalb des Kantons eine zu grosse Heterogenität, einen Stadt-Land-Graben, das kann man nicht schönreden. Der ländliche Teil ignoriert meiner Meinung nach zu stark, dass er auch auf die Städte und Zentren angewiesen ist.

Sie sprechen die Diskussion über die Zentrumslasten an.

Unser grösster Hebel ist der Finanzausgleich. Der Kanton St.Gallen leistet sich ein absurd teures Finanzausgleichssystem, jedes Jahr werden 230 Millionen Franken nach technokratischen Parametern auf die Gemeinden verteilt. Mit der Einführung des Systems wurden damals Knall auf Fall Steueroasen geschaffen. Ich mag diesen Gemeinden das gönnen, das ist wunderbar. Aber es kann nicht sein, dass durch die einseitige Verteilung dieser Gelder die Städte, die einen wesentlichen Teil der Lasten im Kanton tragen, nahezu ausbluten. Der Steuerwettbewerb hat ruinöse Ausmasse angenommen. Der Unterschied von der steuergünstigsten zur teuersten Gemeinde beträgt 250 Prozent. Das versteht der betroffene Bürger, die betroffene Bürgerin einfach nicht mehr. Da möchte ich mich mit Vehemenz starkmachen, um das zu ändern.

Auch Dario Sulzer und Bettina Surber möchten für den SP-Regierungsratssitz kandidieren. Welche Chancen rechnen Sie sich für die parteiinterne Nominierung aus?

Ich finde es spannend, dass die SP offensichtlich ausgewiesene Interessenten für das Amt hat. Es wird sich die Frauenfrage stellen, es wird um die Verteilung der Regierungssitze im Kanton gehen. Am Schluss zählt, wer der drei Kandidierenden die Parteibasis am meisten überzeugt.

2019 haben Sie als Stadtpräsident in Rorschach kandidiert, das Stimmvolk wählte Robert Raths. Haben Sie daraus Lehren gezogen für den Wahlkampf um den Regierungsratssitz?

Die beiden Wahlkämpfe sind nicht miteinander vergleichbar. Als Stadtrat und Schulratspräsident in Rorschach habe ich immer ein sehr gutes Wahlergebnis erzielt. Meine Arbeit stösst auf gute Resonanz. Das Stadtpräsidium in Rorschach war hingegen noch nie in sozialdemokratischer Hand, die Rorschacher haben sich damals ganz klar dagegen entschieden und das ist zu respektieren. Auf Kantonsebene ist es ebenso anerkannt, dass die SP als wichtige Oppositionspartei gut eingebunden sein muss in die Regierung. Der Wahlkampf wird spannend, da die SVP höchstwahrscheinlich den SP-Sitz angreifen wird. Auch hier werden die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen entscheiden.

Falls Sie von der Kantonalpartei als Regierungsratskandidat nominiert werden: Wie überzeugen Sie die Wählerschaft ausserhalb des links-grünen Lagers?

Ich bin ein Sozialdemokrat durch und durch, dazu stehe ich und das macht mich berechenbar und verlässlich. Aber, wenn wir in wichtigen Dossiers Fortschritte erzielen wollen, müssen wir Allianzen schmieden. Und das kann ich. Ein Beispiel: Seit 2018 schwelt zwischen den Schulen und dem Kanton ein Konflikt über die Sonderbeschulungen. Damals wollte die Regierung auf dem Buckel der Schwächsten Geld sparen. Das geht einfach nicht. Ich als betroffener Schulratspräsident bin dann im Kantonsparlament in die Offensive gegangen und es ist über alle Fraktionen hinaus gelungen, Allianzen zu schmieden. So haben wir es geschafft, das Volksschulgesetz zu revidieren. Deshalb ist seit 2021 klar: Wenn ein Kind sonderschulbedürftig ist, hat es Anspruch auf  einen Sonderschulplatz. Das wäre im Alleingang nicht möglich gewesen. Das haben wir erreicht und da bin ich gehörig stolz drauf. Natürlich war man sich bewusst: Zum Nulltarif ist das nicht zu haben.

Für wichtige Anliegen wollen Sie also genügend Geld ausgeben. Wo soll der Kanton sparen?

Die Finanzkommission, in der ich Mitglied bin, hat ein Programm angestossen zur Effizienzüberprüfung der kantonalen Verwaltung. Nun untersuchen fünf Studien, wo es Optimierungspotenzial gibt. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir aufhören müssen, uns zu lähmen und zum Teil auch zu blamieren, indem wir auf Biegen und Brechen als Sparfüchse auftreten. Beispiel Digitalisierungsoffensive: Kaum wurde sie lanciert, hat man diese Ressourcen wieder beschnitten. Wenn wir digitalisieren wollen, müssen wir es richtig machen. Natürlich plädiere ich nicht dafür, dass man das Geld zum Fenster rauswirft. Wenn wir Aufgaben effizienter machen können, dann müssen wir dort ansetzen.

Zuletzt sorgte die Auftragsvergabe bei der Pestalozzi-Turnhalle für Schlagzeilen. Befürchten Sie, das könnte Ihre Kandidatur negativ beeinflussen?

Nein, diese Geschichte vom Tagblatt war völlig unsinnig.

Falls es mit dem Regierungsratssitz nicht klappt: Suchen Sie sich eine andere neue Herausforderung?

Ich denke, das bleibt offen. Das Spezielle ist ja, wenn sich jemand für einen neuen Job interessiert, findet das normalerweise fernab der Öffentlichkeit statt. In meinem Amt ist das anders. Solange meine Arbeit auf gute Resonanz stösst und die Motivation stimmt, passt es für mich sehr in Rorschach.

 

Zur Person

 

Guido Etterlin ist 56 Jahre alt, verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Der Betriebsökonom war Gemeinderatsschreiber in Goldach und Unternehmensberater, bevor er 2006 Schulratspräsident der Stadt Rorschach wurde. 2016 wurde er in den St.Galler Kantonsrat gewählt, dort ist er Mitglied der Finanzkommission.


 

«Hilft es denen ganz unten, wenn es denen ganz oben noch besser geht?» - der «Trickle down-Effekt» funktioniert nicht

 

Lohnpolitik ist Personalpolitik – Sparen beim Personal der falsche Ansatz

Seit Jahren schwelt im Kanton St. Gallen eine Auseinandersetzung um die Löhne und die Lohnentwicklung des Staatspersonals. Verschärft wurde diese mit der Einführung von «Nelo» im Jahr 2019. Mit Nelo sind automatische Lohnanstiege entfallen, die Departemente erhalten eine bestimmte Quote für individuelle und strukturelle Lohnerhöhungen. Beim Erlass von Nelo ging man davon aus, dass mindestens 0,8 % der Lohnsumme hiefür minimal notwendig seien. In der Zwischenzeit hat die Finanzkommission diese Quote gesenkt auf 0,6 %. Nelo ist also dadurch noch weiter unter Druck geraten. Dazu kommt nun in immer mehreren Bereichen der Fachkräftemangel. Besonders akut ist dieser beim Pflegepersonal, im Bildungswesen, bei der Polizei und im Bauwesen. Statt ein wichtiges positives Zeichen zu setzen, beantragte die Regierung mit 1,7 % nur einen teilweisen Teuerungsausgleich. Die Finanzkommission reduzierte diesen ungenügenden Ausgleich auf 1,5 %. Die Teuerung für das Jahr 2022 beträgt aber 2,8 %. Der Kanton Zürich gewährte seinem Staatspersonal 3,5 %. Das verschärft die ohnehin schwierige Situation auf dem Fachkräftemarkt an den Grenzregionen zu Zürich weiter. Anscheinend lohnt es sich, die Stelle zu wechseln. Die Rede ist bereits von Rückkehrenden aus anderen Kantonen, die dann zu weit besseren Konditionen wieder angestellt werden als wenn sie geblieben wären. Wenn man bedenkt, was ein Personalwechsel für Kosten verursacht, ist das vollkommener Unsinn. Sparen beim Personal hat sich noch nie gelohnt.

 

Handlungsspielraum selber unnötig eingeschränkt

In der Aufgaben- und Finanzplanung (AFP) für die Jahre 2024 bis 2026 rechnet die Regierung erneut mit deutlichen Defiziten. Dies erstaunt wenig, nachdem die Mehrheit von SVP, FDP und die Mitte/EVP im Kantonsrat eine erneute unnötige Steuerfusssenkung von 5 % für das Budget 2023 beschlossen hatte und damit die Verantwortung trägt für diese horrenden Defizite. Dass der Kanton vor grossen finanziellen Herausforderungen steht, war im Rahmen der Budgetberatung bereits bekannt. Es bleibt abzuwarten, dass aufgrund der sich abzeichnenden Defizite bald wieder die Notwendigkeit von Sparpakten propagiert werden wird. Der damit verbundene Staatsabbau wird wieder Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen treffen. Dies hat vor allem die Corona-Pandemie gezeigt, die ohne das Eingreifen vom Bund der Wirtschaft und dem Gewerbe einen massiven wirtschaftlichen Schaden verursacht hätte. Ebenso leiden immer mehr Menschen unter der zu hohen Prämienlast für die Krankenkassenprämien. 6 % beträgt der durchschnittliche Anstieg auf das Jahr 2023. Die Regierung plante aber bei den Individuellen Prämienverbilligungen (IPV) nicht mit mehr Mitteln. Mit Unterstützung der Grünen und der Mitte-EVP lagen dann aber 26 Mio. Franken mehr drin. Dies ist umso wichtiger, als die Prämien-Entlastungs-Initiative weitere 75 Mio. Franken für den Kanton St. Gallen vorsieht und im nationalen Parlament gute Chancen hat, durchzukommen oder den Gegenvorschlag des Bundesrates mit annähernd so vielen Zusatzgeldern zu beflügeln. Ebenso tut sich die Regierung ausserordentlich schwer, die vom Volk angenommene Pflege-Initiative umzusetzen. Sie muss sich aber bewusst sein, dass die vom Bund bereit gestellten Gelder nur fliessen, wenn der Kanton sich ebenso engagiert. Es braucht daher mehr Mittel. Und zwar schon ab 2024.

 

Sorgenbarometer und die Mär vom «Heruntertröpfeln des Geldes»

Wenn ich mir das Sorgenbarometer von Frau und Herrn Schweizer anschaue, stehen Klima/Energie, Altersvorsorge, Krankenkassenprämien und die Teuerung ganz oben auf der Liste. Dazu passt nämlich mein Plädoyer zum Umgang mit den öffentlichen Finanzen an der Budgetdebatte des Kantonsrates: Die zentrale Frage lautet: «Hilft es denen ganz unten, wenn es denen ganz oben noch besser geht?» Etwa indem man Steuern für Grossverdiener senkt oder generelle Steuersenkungen beschliesst? Die Antwort lautet seit vielen Jahren immer wieder gleich: Nein! Wissenschaftlich fundiert.

Adam Smith hat in seinem Grundlagenwerk «Der Wohlstand der Nationen» 1776 davon geschrieben, wie sich der Reichtum bis zu den «lowest ranks of the people» verteilt, bis ganz unten eben, und seither ist das der Grundsatz konservativer Finanzpolitik: Geht es denen oben gut, dann geht es auch den anderen gut. Man nennt dies den «Trickle down»-Effekt und meint eben das «automatische Heruntertröpfeln des Geldes von denen, die viel haben, zu denen, die wenig haben. Jede finanzpolitische Vorlage wird am Schluss immer mit diesem gleichen Argument begründet. Man konnte es bei der Abschaffung der Stempelsteuer beobachten, man sah es noch eindrücklicher bei der neuen globalen Mindeststeuer für Unternehmen, bei der Bund und Kantone alles unternahmen, damit ja niemand zusätzlich belastet wird. Im Gegenteil: Alt-Bundesrat Maurer forderte gar im Januar 2022 in der «NZZ am Sonntag», die Steuern für Grossverdiener generell zu senken. Im Budget 2022 vor einem Jahr senkte das Kantonsparlament mit diesem Mantra die Steuern dank einem Sparpaket. «Trickle down» funktioniert nicht. Eine aktuelle Untersuchung der London School of Economics and Political Science, die Daten aus achtzehn OECD-Ländern untersucht hat, kommt zu zwei Schlüssen,

1.       dass tiefere Steuern für Reiche die Einkommens- und Vermögensungleichheit sogar noch vergrössern.

2.       Und dass diese Steuersenkungen auch keinen signifikanten Effekt auf das Wirtschaftswachstum oder die Arbeitslosenrate haben.

Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen der bevorzugten Behandlung der Oberschicht und einem Vermögenszuwachs der Unterschicht. Das wurde schon hundertmal gesagt. Wissenschaftlich begründet. Politisch ignoriert. Seit Jahren setze ich mich ein für eine gerechte und solidarische Gesellschaft. So sollten wir endlich über die Einführung einer Erbschaftssteuer diskutieren. 2022 wurden schweizweit 92 Mrd. Franken vererbt. Es würde Sinn machen, diese Gelder moderat und einheitlich zu besteuern. Es würde niemandem weh tun. Wir könnten uns damit aber wichtige Perspektiven schaffen.

 

Rorschach, 2. Februar 2023

 

Guido Etterlin


Das Recht von besonders schutzbedürftigen Kindern geht vor!

Die "Geschichte" geht zurück auf das Jahr 2016. Das Bildungsdepartement verweigerte damals - vornehmlich aus technokratischen und finanziellen Überlegungen 20 Kindern die Aufnahme in die Sprachheilschule. Über alle Fraktionen waren sich Bildungspolitiker/-innen einig, das geht so nicht. Mit einer Gesetzesänderung wurde dem Recht der Schwächsten im Bildungssystem Nachachtung verschafft. 

Mein Votum zur Vorlage der Regierung im Parlament:

Das Bildungsdepartement hat letzten Sommer die Aufnahme von 20 Kindern in die Sprachheilschulen verhindert. Die Motion ist wichtig, damit die Kinder, deren Eltern und die Schulträger zu ihrem Recht kommen. In diesem Verfahren für die geplante Gesetzesanpassung können allfällige Schnittstellenthemen genauer beleuchtet werden. Wenn das Ergebnis dannzumal nicht überzeugen sollte, kann das Gesetzesprojekt dann immer noch im nächsten Jahr scheitern. Jetzt aber nicht.

Ich bitte Sie, legen Sie es auch nicht auf die lange Bank mit der Umwandlung in ein Postulat. Wir sind uns bewusst, dass in Art. 35 VSG steht, dass einem Kind mit ausgewiesenem Bedarf eine ausgewiesene Massnahme zusteht. Die gesetzgeberischen Webfehler sind aber offenbar: Art. 35ter Abs. 2 verpflichtet jede Sonderschule das Kind im Rahmen des Sonderpädagogikkonzepts aufzunehmen und trotzdem ist es zu dieser Blockade durch das Bildungsdepartement gekommen. Funktioniert hat das Gesetzeskonstrukt in diesen Bereichen nicht. Art. 37 bildet die Grundlage für das Sonderpädagogikkonzept und Art. 37bis die Grundlage für das Versorgungskonzept. Und trotzdem war diese fast auswegslose Situation letzten Sommer möglich und dauert an. Klar können wir auch die Gerichte bemühen. Klar können wir die staatswirtschaftliche Kommission einschalten. Wir möchten aber, dass wir hier in diesem Rat die Verantwortung übernehmen und die notwendige, erkannte Kurskorrektur in die Wege leiten. Ich erlaube mir Ihnen zwölf Gründe darzulegen, und ich werde die ein bisschen ausführlicher halten müssen, weil das Bildungsdepartement am Freitag noch in dieser wichtigen Angelegenheit ein Factsheet in Umlauf gebracht hat, das doch nicht ganz den Fakten entspricht:

  1. Eine Sprachheilbeschulung kostet 48'500 Franken im Jahr. Davon tragen die Schulträger über die Pauschale 36'000 Franken (neu sorgar 40'000) je Jahr oder sage und schreibe 75 Prozent der Vollkosten. Für den Kantonen verbleibt ein bescheidener Betrag von 12'500 Franken je Jahr und Kind. Bei 20 Kindern hätte das Kostenfolge für den Kantonen von 250'000 Franken. Unzulässigerweise vermischt das Bildungsdepartement in seinem Factsheet die Kosten für interne und externe Sprachheilbeschulungen, weist dadurch viel zu hohe Kosten aus und schädigt die Sprachheilschulen. Das finde ich gar unredlich.

  2. Das Bildungsdepartement malt den Teufel an die Wand. Es spricht von geplanten Mehrkosten von 1,2 Mio. Franken. Das Bildungsdepartement berechnet nämlich eine starke Zunahme der Sonderschulquote. Ich bleibe dabei, es hätte sich um 250'000 Franken für den Kanton gehandelt. Und da die Kosten der Schulträger noch mit einzurechnen, das ist gar unlauter.

  3. Das Bildungsdepartement ist seit Jahren mitverantwortlich für massive Kostensteigerungen im Volksschulwesen. Es wäre gar wünschenswert, wenn das Bildungsdepartement es immer so genau nähme mit den Finanzen. Es verursacht nämlich sehr oft und seit Jahren Mehrkosten. Gemäss Finanzstatistik des Kantons wendeten die Gemeinden 826 Mio. Franken auf pro Jahr im Jahr 2011 für ihre Volksschulen. 2017 ist dieser Betrag bei etwa gleich vielen Schülern angestiegen auf 863 Mio. Franken im Jahr also mit einer jährlichen Kostendifferenz von 36,6 Mio. Franken und da sind doch diese 250'000 Franken zu Lasten des Kantons nahezu ein finanzieller Klacks.

  4. Das Bildungsdepartement desavouiert seinen eigenen schulpsychologischen Dienst. Es behauptet nämlich, dass wenn für ein Kind mit Sprachdefizit keine passenden Massnahmen vor Ort zur Verfügung stehen würden, würde der Schulpsychologische Dienst einfach einen Platz in einer Sprachheilschule beantragen. Diese Behauptungen sie qualifizierter Unsinn. Der Schulpsychologische Dienst arbeitet nach der Leistungsvereinbarung, die das Bildungsdepartement und mit dem Sozialpädagogische Dienst abgeschlossen hat. Allenfalls wäre es ein gravierendes Führungsversagen seitens des Bildungschefs, wenn seine für das Bildungsdepartement arbeitende und auch zu 50 Prozent von ihm finanzierte Organisation derart versagen würde. Zudem hätte das Bildungsdepartement ein Jahr Zeit gehabt in den Sprachheilschulen unnötig zugewiesene Kinder zu eruieren und dafür zu sorgen, dass diese durch die Schulträger zurückgenommen werden. Nichts ist passiert.

  5. Es gibt einen Graubereich zwischen Regel- und Sonderschulen. Ich versichere Ihnen aber aus meiner Erfahrung und nach Rücksprache mit unzähligen Kollegen, wir Schulträger nutzen diesen Ermessensspielraum äusserst verantwortungsvoll, und noch nie haben wir leichtfertig ein Kind in eine Sprachheilschule abgeschoben.

  6. Das Bildungsdepartement behauptet, es hätte das Zuweisungsverfahren neu organisiert. Das ist nicht richtig. Es liegt jetzt ein Ablaufschema vor, dass den bisherigen Ablauf präzisiert und das Problem ist ein Neues: Der Schulpsychologische Dienst sollte unabhängige Fachinstanz sein. Er kann keine vorgenommene Selektion im Auftrag des Bildungsdepartementes wahrnehmen kann, ohne sich dann nicht selber zu widersprechen.

  7. Das Bildungsdepartement möchte die Haltekraft der Schulträger erhöhen, damit wir weniger Sonderschulfälle "produzieren". Leider hat das Bildungsdepartement keine Ahnung, was die Schulträger, die Lehrerinnen, die Heilpädagoginnen und Therapeutinnen vor Ort alles leisten. Auf Schulbesuch vor Ort wagt sich unser Bildungschef leider trotz persönlicher Einladung nicht.

  8. Das Bildungsdepartement spielt auf Zeit. Die betroffenen Kinder haben diese Zeit leider nicht. Darum muss diese Motion überwiesen werden. Selbstverständlich müssen wir sonderpädagogische Konzept (SOK) ab dem Jahr 2020 ebenfalls evaluieren ist. Es wird weitere Fehler und Schwachstellen zutage fördern. Hier aber geht es um fünf bis achtjährige Kinder und nicht um abstrakte Quoten.

  9. Das Bildungsdepartement möchte die Sonderschulquote auf den schweizerischen Durchschnitt von 2,27 Prozent senken. Gemäss Sonderpädagogikkonzeptschritt strebt es vorerst durch Abstrafung der bewährten Institution Sprachheilschule eine Quote an von 2,53 Prozent, Zitat: «keine Erhöhung». Es steht gar in Aussicht, dass auf übernächstes Jahr die Oberstufe der Sprachheilschule von aktuellen 32 auf 12 Plätze amputiert wird und eine weitere Klasse in der Mittelstufe abgebaut werden soll. Dies, obwohl sich das Parlament im Jahr 2014 klar für die Oberstufe an das Sprachheilschule ausgesprochen hat.

  10. Die Stadt St.Gallen beweist, dass Quotensteuerung nicht funktioniert. Am 22. Mai 2019 berichtete die Regierung zu meiner Interpellation, eine überdurchschnittliche Sonderschulquote hätten z.B. die Regionen Rorschach und Wil mit 2,8 bis 2,9 Prozent. Besonders erfolgreich sei die Stadt St.Gallen. Eine einfache Anfrage im St.Galler Stadtparlament lässt aufhorchen und fördert zu Tage, dass die Stadt St.Gallen eine rekordhohe Sonderschulkonzepte von 3,4 Prozent aufweist. Das ist tragisch für die Stadt St.Gallen. Unanständig vom Bildungsdepartement ein solches Faktum einfach unter den Tisch zu kehren. Zudem zeigt es exemplarisch, dass die Sonderbeschulungen nicht über Quoten gesteuert werden können. Sie sind das Ergebnis des soziodemographischen Situation vor Ort, auch in Wil wie auch in Rorschach.

  11. Drei Departemente befassen sich mit der frühen Förderung im ganzen Kanton. Mit grossem Aufwand wollen sie den Gemeinden zeigen, wie die frühe Förderung gelingen kann. Am nächsten Samstag haben Sie zu einem grossen Symposium ins Würth Haus in Rorschach eingeladen. An der PH Rorschach wurde ein Institut gegründet und es wird vom Kanton mit grossen Summen alimentiert. Was nützt aber diese frühe Förderung, wenn mein gleichzeitig 20 wehrlosen Kindern im Alter von fünf bis acht Jahren eine echte Startchance mit einem Platz an der Sprachheilschule verweigert? Das ist widersprüchlich und unehrlich. Kinder gilt es immer dort und dann zu fördern, wo und wann sie es nötig haben.

  12. Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung zum Abschluss: Wie die Zuschrift der letzten Wache an uns alle zeigt, ist der Bildungschef mit aller Kraft darum bemüht, 20 Kindern den Weg in die Zukunft zu verbauen. Wenig Eifer hat der Departementschef gegenüber der Universität St.Gallen an den Tag gelegt, wo er es jahrelang zuliess, dass mehrere Angestellte mehr Geld mit ihren Spesen verprasst haben, als es gekostet hätte, den beeinträchtigten Kindern den ihnen zustehenden Platz zu bewilligen. Hier wird deutlich, dass der Bildungschef seine Kräfte in erster Linie gegen die Schwachen einsetzt, die bleibend benachteiligt werden. Damit muss Schluss sein und zwar in beiden Bereichen.

Ich bitte Sie darum, Sie müssen jetzt entscheiden. Drücken Sie für die Motion ein Ja, dann heisst das, wir übernehmen Verantwortung und wir korrigieren die erkannten Mängel im Sonderpädagogikkonzept und im Volksschulgesetz. Drücken Sie nein zur Motionen: Das will bedeuten, die Kinder sind mir egal, Geld und Quoten regieren die Welt.

St. Gallen, 19.2.2019

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