Finanzausgleichsdebatte auf der Zielgeraden

Das Tagblatt hat in seiner Ausgabe vom 28. Mai 2016 über die einschneidenden Kürzungen im kantonalen Finanzausgleich berichtet. Insbesondere für die Stadt Rorschach stand in Aussicht, dass sie die Hauptlast der Kürzungen würde tragen müssen und Anstrengungen der vergangenen Jahre zunichte gemacht würden. Der Kantonsrat wird deshalb in der Session ab kommendem Montag über verschiedene Verbesserungen zu befinden haben. Der Finanzausgleich hat aber auch eine regionalpolitische Komponente. Der Wahlkreis Rorschach zählt 8,5 % der Einwohner des Kantons. Das Amt für Gemeinden weist in seiner Statistik die Summe der einfachen Steuern im Kanton aus. Unser Wahlkreis schneidet dabei durchschnittlich ab mit 9,2 % der totalisierten einfachen Steuer. Beim Finanzausgleich ergibt sich ein diametral anderes Bild. An den Bodensee fliessen 3,5 % der Ausgleichsmittel und nach der Botschaft der Regierung nur noch 3,1 %. In der vorberatenden Kommission konnten nun wesentliche Verbesserungen erzielt werden.

 

Ungeachtet dieser Verteilmechanismen muss sich der Kanton St. Gallen einer substanziellen Debatte über einen horizontalen Finanzausgleich stellen. Dies sieht die vorberatende Kommission vor, welche die Regierung beauftragen möchte, Umsetzungsmöglichkeiten eines horizontalen Finanzausgleichsund/oder eines neuen Sonderlastenausgleichs „Dichte“ aufzeigen. Die Einführung des horizontalen Finanzausgleichs dürfte auf den Widerstand der finanzstarken Gemeinden stossen. Aus deren Sicht ist nachvollziehbar, dass sie keine Freude daran haben, ab einer bestimmten Grenze Steuermittel zu Gunsten finanzschwacher Gemeinden abliefern. Ein System jedoch, das der Bund und alle anderen Kantone mit Ausnahme der Kantone Appenzell Innerhoden und St. Gallen anwenden. Selbst die Wissenschaft stützt diese Forderung nach einem Ausgleich. HSG-Professor Kirchgässner führte 2007 im Zusammenhang mit der Neuordnung des nationalen Finanzausgleichs aus, dass die Konsequenzen ungleicher Einkommensverteilung problematisch seien. Wenn sich die Reichen in einigen Kantonen konzentrieren würden, könnten sich diese niedrigere Steuern leisten ohne auf staatliche Leistungen verzichten zu müssen. Dies führe dazu, dass weitere Reiche zuzögen, worauf die Steuern weiter gesenkt werden können. Da sich andererseits ein Teil der Steuerersparnisse in höheren Mieten und Immobilienkosten niederschlage, würden Bezieher niedriger Einkommen in andere Kantone abwandern, was die reichen Kantone im Bereich der Sozialabgaben entlaste. Genau dies ist im regionalen Kontext zu beobachten. Die Sozialhilfeausgaben der Stadt Rorschach haben mittlerweile das Pro-Kopf-Niveau der Stadt St. Gallen erreicht und die Gemeinden rund um Rorschach konnten die Steuern in den vergangenen Jahres drastisch senken.

 

Vor diesem Hintergrund habe ich den Ansatz eines neuen Ausgleichsfaktors „Sonderlastenausgleich Dichte“ eingebracht. Dieser hätte die grundlegende Basis, wieviele Einwohner pro km2-Fläche in der Bauzone aufeinandertreffen und würde den damit verbundenen Lasten Rechnung tragen. Das überwiegende Gros der Gemeinden weist eine Dichte auf von 2‘500 bis 5‘000 Einwohner pro km2 Bauzonenfläche. Es gibt zwei wesentliche Ausreisser nach oben: Die Stadt St. Gallen mit 6‘083 Einwohnern und die Stadt Rorschach mit gar 7‘524 Einwohnern. Für alle, die sporadisch den Eindruck haben, die städtischen Zentren würden einfach jammern um mehr Finanzausgleichsmittel zu erhalten: Rorschach hat grossstädtische Aufgaben zu bewältigen, die vergleichbar sind mit denjenigen der Stadt St. Gallen und diese erhält unter dem Spezialtitel Sonderlastenausgleich Stadt St. Gallen 16 Mio. Franken aus dem Finanzausgleich. Damit könnten auch die Ausgleichszahlungen für die Stadt St. Gallen „objektiviert berechnet werden“, wie dies die Regierung in ihrer Botschaft festhält.

 

Rorschach, 13. September 2016

Guido Etterlin, Kantonsrat und Stadtrat Rorschach

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Kommentare: 5
  • #1

    Max Bürkler (Mittwoch, 14 September 2016 12:29)

    Ein Bericht, der gut informiert. Falls der Kantonsrat nicht auf eine neue Berechnungsgrundlage einschwenkt,den Entscheid unbedingt öffentlich machen. (Wie stimmten die Rorschacher FdP-Kantonsräte ab?)

  • #2

    Ronny Bleichenbacher (Mittwoch, 14 September 2016 21:59)

    Die Solidarität in unserer Region wird durch den Raubzug auf die Kassen der Nachbargemeinden vermutlich nicht nachhaltig gestärkt. Eine gute Zusammenarbeit, und damit das gemeinsame Stemmen von Projekten, basiert auf inhaltlicher Übereinstimmung. Die Stadt Rorschach ist diesbezüglich leider noch immer im Niemandsland. Nur einen neuen Autobahnanschluss miteinander zu realisieren ist der Gemeinsamkeit etwas zuwenig. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass der Lastenausgleich nicht generell zur Diskussion gestellt werden soll. Aber es gibt noch mehr Stellschrauben die Wirkung zeigen würden.

  • #3

    Guido Etterlin (Sonntag, 25 September 2016 08:33)

    Haben Sie gewusst, dass unsere Kantonsverfassung vorschreibt (Art. 85), dass die finanziellen Unterschiede zwischen den Gemeinden zu verringern seien? Das Finanzausgleichsgesetz datiert von 2008 und hat aber den Steuerfusswettbewerb derart angeheizt, dass der höchste Steuerfuss unverändert bei 162 % liegt und der tiefste auf mittlerweile 80% gesunken ist. Das ist ungesund und verfassungswidrig. Viele unterstellen mir, ich würde in Kanton Rorschacher Finanzpolitik betreiben. Stimmt nicht. Das Beispiel Rorschach zeigt jedoch exemplarisch die Fehlentwicklungen auf.

  • #4

    Guido Etterlin (Sonntag, 25 September 2016 08:37)

    Im Kantonrats gab es dazu zwei entscheidende Abstimmungen:
    Zum ersten Thema 40.16.05: Bei dieser Abstimmung ging es um den Antrag, ob die Regierung beauftragt werden soll, Alternativen zum jetzigen Finanzausgleichssystem zu prüfen und aufzuzeigen. Das hätte insbesondere eine Stärkung der Zentrumsgemeinden zur Folge gehabt. Es ist besonders tragisch, dass die Kantonsräte unserer Region dagegen gestimmt haben. Es wäre eine einmalige Chance gewesen, es hätte nichts gekostet. Deshalb ist das ja so unverständlich, dass da die Hälfte der Kantonsräte gekniffen hat.

    Bei der zweiten Abstimmung ging es um folgendes: Die Regierung wollte zu Lasten der strukturschwachen sieben Millionen Franken sparen und beantragte einen Ausgleichsfaktor 95,5. Das hatte keine Chance. Die Vorberatende Kommission war dann der Meinung, der Faktor sollte zu Gunsten der finanzschwachen Gemeinden auf 96,5 erhöht werden und die FDP beantragte die 96,0 als Kompromiss. Für Rorschach sind die Ausfälle mit 96,0 gravierend.

  • #5

    Karlo (Freitag, 30 September 2016 17:38)

    Für was überhaupt Finanzausgleiche?
    Gibts keinen Standortwettbewerb?
    Werden wenigstens die Anzahl Arbeitsplätze mit in die Berechnung einbezogen oder sind die Kosten für deren Infrastruktur irrelevant?