Seit der letzten Finanzausgleichsdebatte im Kantonsparlament vor anderthalb Jahren sind die kritischen Feststellungen zur hoch problematischen St. Galler Steuer- und Gemeindepolitik nicht verstummt. Die Stadt St. Gallen hat in einer Studie der Konferenz der städtischen Finanzdirektoren (KSFD) feststellen müssen, dass trotz 20 Mio. Franken Zentrumsausgleich ca. 138 Franken pro Kopf ungedeckt bleiben. Das ergibt einen jährlichen erklecklichen Fehlbetrag von weiteren 10,5 Mio. Franken. Gut verständlich also, dass auch die Stadt St. Gallen diese Last gerechter finanziert wissen möchte. Neuester Versuch war, über die Regio Appenzell - St. Gallen - Bodensee die Infrastrukturleistungen für Hallenbäder von allen Gemeinden im tatsächlichen Einzugsbereich finanzieren zu lassen. In diesem speziellen Infrastrukturthema klafft wiederum ein riesiges Geldloch. Mit acht Franken pro Einwohner und Einwohnerin könnten die Fehlbeträge für die Betriebsdefizite und die anstehenden Erneuerungsinvestitionen gerechter verteilt werden. Nur aber eine willkürlich herausgepickte Aufgabe überregional finanzieren zu lassen, ist keine Lösung. Das Problem ist und bleibt der kantonale Finanzausgleich.
Steuerfüsse klaffen immer weiter auseinander
Ursprünglich bewegten sich die St. Galler Gemeinde-Steuerfüsse zwischen 120 % und 160 %. Im analysierten Zeitraum von 1998 bis 2016 startete die Entwicklung mit diesen minimalen und maximalen Steuerfüssen. 2008 weitete sich die Schere aus auf 95 % und 162 % und per 2016 sogar auf 80 und 162 %. Mittlerweile bezahlen Einwohnerinnen und Einwohner von Degersheim etwas mehr als doppelt soviele Gemeindesteuern als diejenigen von Balgach. Eine allleinstehende Person mit einem steuerbaren Einkommen von 80‘000 Franken bezahlt in Degersheim demzufolge 41 % mehr Steuern bzw. 16‘600 Franken statt 11‘800 Franken in Balgach. Der Steuerwettbewerb unter den Gemeinden hat damit ruinöse Ausmasse angenommen. Und es ist ja nicht so, dass Einwohnerinnen in Degersheim von luxuriösen Gemeindedienstleistungen profitieren und diejenigen in Balgach mit minimalstem Bürgerservice auskommen müssten.
Negative Verschiebungen von reichen zu armen Gemeinden
Bei einer näheren Betrachtung der Entwicklung fällt auf, dass sich der gewichtete Steuerfuss (Erklärung siehe Kasten) sehr unterschiedlich entwickelt. Er betrug über alle Gemeinden im Jahr 1998 148,6 %, sank 2008 auf 139,2 % und liegt 2016 bei 129,3 %. Insgesamt erheben die Gemeinden also weniger Gemeindesteuern. Leider aber hat es unter den Gemeinden Verzerrungen in gigantischem Ausmass gegeben. 28 % der St. Galler Bevölkerung wohnen privilegiert in 20 sehr steuergünstigen Gemeinden (Steuerfuss kleiner als 120%). Diese konnten die gewichtete Steuerbelastung von 118,6 % auf 102,2 % senken. Eine Differenz um 16,4 Steuerprozente. Am Ende der Rangliste stehen 32 Gemeinden mit insgesamt 44 % der Kantonseinwohner. Diese bezahlen mehr als 140 %. Deren gewichtete Steuerbelastung reduzierte sich lediglich von 151,1 % auf 145,8 %, also bescheidene 5,3 %.
Steuerbelastung ist in Zentren und Städten besonders hoch
In demografischer Hinsicht hat sich die Bevölkerung im Zeitraum 1998 bis 2008 um 5,9 % und 2008 bis 2016 um 6,6 % erhöht. Insgesamt haben sich sowohl die steuergünstigen wie auch die anderen etwa gleich entwickelt. Wenn sich nun aber mit gleichen Zuwachsraten die steuergünstigen Gemeinden derart viel günstiger entwickeln, hat das zur Folge, dass innerhalb des Kantons eine Migrationsbewegung stattfindet, wo gezielt bessere Einkommen in steuergünstigere Gemeinden verschoben werden. In der Liste der Gemeinden mit hohen Steuerfüssen fallen durchwegs Zentrumsgemeinden und Städte auf. Ein weiteres Indiz für die Fehlwirkung des kantonalen Finanzausgleichs.
Klar Verfassungswidrig
Der Finanzausgleich hat gemäss Kantonsverfassung zum Ziel, den politischen Gemeinden die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, finanzielle Unterschiede zwischen den Gemeinden zu verringern und übermässige Belastungen der Gemeinden auszugleichen. Damit ist die aktuelle Finanzausgleichsgesetzgebung klar verfassungswidrig. Ganz aktuell verschärft wird die finanzielle Situation in den Städten durch die erhöhte Belastung in der Pflegefinanzierung. Der letzte immer häufiger städtische Wohnsitz ist massgeblich für die Pflegefinanzierung. In vielen Fällen passiert es deshalb, dass Personen in der Erwerbsphase die günstigen Steuern in einer Tiefsteuergemeinde bezahlen, im Alter dann umziehen in eine Stadt oder Zentrumsgemeinde, wo alles so praktisch zentral und nah ist und diese dann auch noch die Pflegeleistungen finanzieren muss. Es ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Rorschach, 16. Feburar 2018
Guido Etterlin
Gewichtete Steuerfüsse in den Gemeinden
In Finanzpolitischen Debatten und auch beim Finanzausgleich rechnet man im Zusammenhang mit Steuerbelastungen mit der Steuerkraft pro Einwohner in einer Gemeinde. Der Steuerzahlende aber vergleich höchstens, wieviel seine eigene Steuerbelastung ausmacht im Vergleich mit einer anderen Gemeinde. Darum wird hier mit dem gewichteten Steuerfuss argumentiert. Der Gemeindesteuerfuss wird mit Anzahl Einwohner multipliziert und die so ermittelte Summe durch die Anzahl Einwohner des Kantons dividiert.
Kommentar schreiben